Isaak Wetzlar
1685/90–1751

Missioniert, aber
nicht konvertiert

»

... ein rechter Jud kan einen Christen nicht haßen ...

Isaak Wetzlar

Isaak Wetzlar (1685/90–1751) war ein gebildeter jüdischer Kaufmann aus Celle. 1748/49 verfasste er auf Jiddisch eine religiös-ethische Reformschrift mit dem Titel »Libes Briv«, in die er theologische Konzepte und Ideale pietistischer Frömmigkeit und Lebensführung aufnahm. Wetzlar wandte sich in dieser Schrift an seine jüdischen Brüder und Schwestern, übte scharfe Sozialkritik und rief zur religiösen Erneuerung und Reform der jüdischen Gesellschaft auf.

Ansehen und Respekt

Isaak Wetzlar wird als Sohn eines Moses Zwi 1685/90 geboren. Sein Geburtsort ist nicht bekannt. In seiner Jugend besucht er vier Jahre lang die Talmudschule des Abraham ben Saul Broda (1640–1717) in Prag und setzt seine Studien in Frankfurt am Main vor allem bei Samuel Schotten (1644–1719) fort. Spätestens 1711 wird er in Celle ansässig, erlangt den Status eines »Schutzjuden« und heiratet Brendel (verst. 1741), die Tochter des angesehenen Salomon Salman Gans (um 1674–1733). Aus der Ehe gehen mindestens sechs Kinder hervor.

Zunächst betätigt sich Wetzlar im Häute-, dann aber erfolgreich im Juwelen­handel. Er besitzt ein repräsentatives Haus mit weitläufiger Haushaltung in der Vorstadt Celles und zählt zu den angesehenen Juden der Stadt. Zu seinem Besitz gehört eine Bibliothek mit gelehrter hebräischer und jiddischer Literatur. 1732 wird er mit Levi Jacobs als Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Celle genannt.

Es ist belegt, dass Wetzlar Kontakt mit christlichen Amts- und Würden­trägern unterhält und unter Christen und Juden Respekt genießt. In seinem Haus empfängt er mit großer Offenheit Christen zum Gespräch, darunter zwei Reisemitarbeiter eines lutherischen Instituts zur Judenmission aus Halle, Johann Georg Widmann (1694-1754) und Johann Andreas Manitius (1707-1758). Als Wetzlar 1748/49 den »Libes Briv« verfasst, ist er etwa 60 Jahre alt. Wenige Jahre später, am 25. Januar 1751, stirbt er und wird auf dem jüdischen Friedhof in Celle begraben. Das Grabmal ist erhalten geblieben.

Grabmal des Isaak Wetzlar auf dem jüdischen Friedhof in Celle (1751)
Grabmal des Isaak Wetzlar auf dem jüdischen Friedhof in Celle (1751) / © Stadtarchiv Celle

Libes Briv – eine Reformschrift

In seiner Reformschrift »Libes Briv« wendet sich der Autor Isaak Wetzlar als »gemeiner Mann« an seine jüdischen Leserinnen und Leser in der Alltags­sprache Jiddisch, auch wenn die von ihm in seiner Schrift zitierte hebräische und jiddische Literatur einen hoch gebildeten Laien erkennen lässt. Er streut einige autobiographische Notizen in seine Schrift ein und betont seine schmerzhafte Wahrnehmung des jüdischen Exils.

»Wetzlar übt eine grundlegende Kritik an der jüdischen Gesellschaft seiner Zeit...«

Wetzlar übt eine grundlegende Kritik an der jüdischen Gesellschaft seiner Zeit, prangert mit schonungslosem Blick das Erziehungs- und Bildungswesen und die Haltung der Führungselite, der Rabbiner und Gemeinde­vorsteher, an.

Davon ausgehend formuliert er pragmatische und nüchterne Handlungs­empfehlungen zur Überwindung der Misere, z.B. Bücher und Gebete in die verständliche Alltagssprache, das Jiddische, zu übersetzen und Mädchen den Zugang zur hebräischen Sprache und zur jüdischen Bildung zu ebnen.

Wetzlar fordert in seinem Werk vehement einen Wandel der Führungselite sowie des Erziehungswesens und die »Rückbesinnung auf die wichtigen Werte des Judentums: hingebungsvolles Gebet, Umkehr / Buße, gute Taten und Nächstenliebe« (Voss / Siluk, 2019).

Sefer Amudej ha-Olam. Dekoriertes Titelblatt einer Abschrift des Libes Briv von Issak Wetzlar aus Celle, angefertigt 1777 durch Salomon Salman Eschau.
Sefer Amudej ha-Olam. Dekoriertes Titelblatt einer Abschrift des Libes Briv von Issak Wetzlar aus Celle, angefertigt 1777 durch Salomon Salman Eschau. / © Electronic British Library Journal 21, 1995, 87

Christliche Einflüsse

Außergewöhnlich ist, dass Wetzlar fromme Christen als Vorbild, an dem sich seine jüdischen Glaubensgenossen ein Beispiel nehmen sollten, anführt. Seine religiös-ethische Reformschrift ist nie im Druck erschienen. Es lagen zwar Vorarbeiten zu einer Druck­legung vor, die aber wahrscheinlich durch den Tod des Autors nicht umgesetzt wurde. Heute sind weltweit neun Handschriften in Bibliotheken und Sammlungen in New York, Jerusalem, London, Oxford und Amsterdam nachweisbar.

Von der Forschung wurde Wetzlars »Libes Briv« lange Zeit zwischen traditioneller »Mussar«-Literatur, d.h. hebräischer und jiddischer mora­lischer Erbauungs­literatur, und jüdischer Frühaufklärung einge­ordnet.

Seine Reformschrift scheint aber auch in Titel, Form und Inhalt von einem christlichen Sendbrief beeinflusst zu sein, der unter dem Titel »Mikhtav Ahavah« (Liebesbrief) auf Jiddisch am Institutum Judaicum et Muhammedicum, einer Einrichtung zur Missionierung von Juden und Muslimen, erstmals 1732/33 in Halle erschienen ist. In beiden Schriften ist das Motiv der Nächstenliebe als Fundament der religiösen Gemeinschaft zentral.

Institutum Judaicum et Muhammedicum

Das Institut wurde 1728 von Johann Heinrich Callenberg (1694–1760) gegründet und war eng mit den Glauchaschen Anstalten, wie die Franckeschen Stiftungen zu Halle im 18. Jahrhundert genannt wurden, verbunden. An diesem Institut erschienen zahlreiche Publikationen, darunter Traktate auf Jiddisch, die die reisenden Mitarbeiter des Instituts an Juden verteilten. Beliebt waren vor allem die Schriften von Johann Müller (1649–1727), einem Mentor Callenbergs, von dem die erste im Institut erschienene Schrift »Or le-Et Erev« (Licht am Abend), ebenso verfasst worden ist wie der genannte »Liebesbrief«.

Forschungsgegenstand

Wie Wetzlar in Kenntnis und Besitz der Schriften aus Halle gekommen ist und wie er diese in seinem Sinne rezipiert hat, wurde im Rahmen eines von der Deutschen Forschungs­gemeinschaft geförderten Projekts unter Leitung von Frau Prof. Dr. Rebekka Voß, Goethe-Universität Frankfurt am Main, und Frau Prof. Dr. Marion Aptroot, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, von 2013 bis 2018 untersucht.

Wetzlars »Libes Briv« wurde in diesem Projekt in den Kontext von Pietismus, Frühaufklärung und Moralliteratur eingeordnet und erstmals eingehend als jüdische Reaktion auf den Pietismus, die erste Erneu­erungs­bewegung seit der Reformation im Protestan­tismus, interpretiert.

Pietistische Judenmission

Erst unter dem Einfluss der Pietisten begann die Judenmission in Deutschland. Sie sahen aufgrund ihres wörtlichen Bibelverständnisses die Juden nach wie vor als das auserwählte Volk an und lasen im Neuen Testament die Verheißung, dass vor Jesu Wiederkunft die Juden bekehrt und errettet werden würden. Daher sahen sie es als ihre Aufgabe an, den Juden den rechten Weg zu weisen.

»...das vornehmste Geschlecht in der ganzen Welt aus dem gesegneten Samen der heiligen Väter...«

Philipp Jacob Spener (1635–1705)

August Hermann Francke und der Pietismus made in Halle

August Hermann Francke (1663-1727), der Begründer der Glauchaschen Anstalten, war ein Anhänger des Pietismus und wollte von Halle aus eine weltweite religiöse Reform und Erneuerung der Gesellschaft und des Schul- und Erziehungs­wesens initiieren. Für Francke war die aufrichtige Frömmigkeit und die wahrhaftige Bekehrung der Herzen der Gläubigen eine unabdingbare Voraussetzung für die religiös-gesellschaftliche Erneuerung. Isaak Wetzlar lernte diese Ideen durch die Schriften des Institutum Judaicum und im persönlichen Gespräch mit den Reise­mitarbeitern des Instituts kennen. Auch wenn er sich deutlich von deren Missions­absichten distanzierte, adaptierte er in seinem Libes Briv »pietistische Reformideen, zentrale Ideale pietistischer Lebensführung und theologische Konzepte, die er in jüdischer Umdeutung in das eigene Denksystem integrierte« (Voß/Siluk 2019).

Im Archiv der Franckeschen Stiftungen befinden sich der Briefwechsel und die Reise­tagebücher der Mitarbeiter des Institutum Judaicum, Johann Georg Widmann und Johann Andreas Manitius (Abb. 3). Manitius hatte Theologie in Halle studiert, die universitären Lehrangebote Callenbergs zur Erlernung des Jiddischen wahr­genommen und bereiste zusammen mit Widmann Teile Europas, besonders Polen, aber auch die Niederlande, England und Dänemark, sowie Teile des Alten Reichs, wie den Harz, Hessen, Franken und Norddeutschland.

Porträt August Hermann Francke (1663-1727), Kopie des Gemäldes von Antoine Pesne, 1720
Porträt August Hermann Francke (1663-1727), Kopie des Gemäldes von Antoine Pesne, 1720 / © Franckesche Stiftungen zu Halle

Vergebliche Missionierungs­versuche

»In seinem Haus empfängt er mit großer Offenheit Christen zum Gespräch...«

Johann Georg Widmann berichtet in seinem Tagebuch, wie er im Auftrag des Institutum Judacium in Halle mit Johann Andreas Manitius Nord­deutschland bereist hat. Am 16. September 1732 erreichten die beiden Celle und suchten sogleich die Häuser der Juden und vor allem das Haus des Isaak Wetzlar auf. Isaak Wetzlar selbst war zu diesem Zeitpunkt nicht vor Ort, wohl aber seine Frau, die »Hausmutter«.

Widmann überreichte ihr drei weitere Schriften des Instituts zur Juden­mission aus Halle, unter anderem die Schrift »Or le-Et Erev« (Licht am Abend), ein Traktat zur Bekehrung der Juden. Diese Schrift stammte von Johann Müller, einem Mentor Johann Heinrich Callenbergs, und hatte die Druck-Verlagstätigkeit des Instituts 1728 begründet. Wetzlars Frau bat Widmann und Mantius um zwei Uhr mittags wiederzukommen, da ihr Ehemann dann anzutreffen sei. Als die beiden um diese Uhrzeit in das Haus zurückkehrten, saß Wetzlar mit weiteren Juden zu Mittagstisch und bat Widmann und Mantius freundlich herein. Widmann unterhielt sich ausführlich mit Wezlar und gibt den Dialog in wörtlicher Rede in seinem Tagebuch wieder. Den Ausgangs­punkt für das Gespräch bildete nicht von ungefähr das Traktat »Mikhtav Ahava« (Liebesbrief), das Wetzlar einige Zeit zuvor von einem Edelmann erhalten hatte.

Dialog

[174v] »Seine erste erzehlung war eine widerhohlung von dem empfang deß Jüdisch teutschen brieff mit diesem Zusatz, daß man von ihme ein urtheil darüber verlanget, was er davon halte. Er habe sich darauff bedacht und geanfert daß ein meschamed [Konvertit] solchen nicht gemacht, weil sie so guth von Juden nicht reden, ein Jud habe solchen auch nicht gemacht, weil darinen verschie­dene sachen vorkommen, so den Juden nicht zu kommen, darum solchen brieff einer gemachet, welcher ein guter freund von Juden seye, den auch recht wohl gethan, daß er auff solche weise geschriben. Nun hat er damahls gewunschet, er möchte den menschen gern sehen, und habe auch noch verlangen, solchen kennen zu lernen. es wäre ihm darum sehr lieb, daß in sein Haus gekommen.

Ich: Es ist nicht viel liebe unter den bene adam [Menschen], sie sehen einander an, alß wann haß, neid und Verfolgung die beste tugenden wären.

Jud Wezler: Das hatte ich schon lang gerne gehöret. Daran fehlet es, daß man keine liebe hat, ein rechter Jud kan einen Christen nicht haßen, ein grober Gloz, der nichts gelernet hat auff dem Land herum lauffet wie ein Vich, ohne sechel [Verstand], der ist kein Jud, er verstehet nichts. Aber ein rechter Jud hat den Christen viel zu dancken, sie haben schutz von ihnen, und euer Messias hat ein großes Werck unter Euch gethan. Wer ein rechter Jude ist, der hat ganz andere gedancken […].«

Im Mittelpunkt des Gesprächs standen die jeweiligen Religions­grundsätze und die Pflicht der Menschen zur gegenseitigen Liebe. Das biblische Gebot der Nächstenliebe stellte eine wichtige Motivation für die Mission dar. Beeinflusst von den Ideen des Pietismus zielten die Gespräche der Reisemitarbeiter des Institutum Judaicum nicht nur auf eine äußere Bekehrung der Juden, sondern auch eine innere Bekehrung ihrer Herzen. Deshalb lehnten Widmann und Mantius jeden Zwang in den Gesprächen mit Juden, wie hier mit Wetzlar, ab, verzichteten auf jede Form der Polemik und brachten den Juden das Christentum in ihrer vertrauten Muttersprache, Jiddisch, nahe.

So ist zu erklären, dass Widmann seinem Tagebuch zentrale Begriffe auf Jiddisch einstreut. Umgekehrt traf Widmann mit Wetzlar auf einen Gesprächspartner, der ihm freundlich und zugewandt begeg­nete, auch wenn er die Konver­sions­absichten erkannte und ablehnte. Ohne seine eigenen Ansichten aufzugeben, respektierte Wetzlar die Aus­füh­rungen Widmanns und resümierte:

»Der Mann redet Warhafftig guth.«

Das Tagebuch

»Er hält von den Juden nicht allzuviel, bizeugt aber vor andern daß kein rechte Jud Verachtung auff Wahre Christen lege.«

Die Reisetagebücher von Johann Georg Widmann und Johann Andreas Manitius im Archiv der Franckeschen Stiftungen
Die Reisetagebücher von Johann Georg Widmann und Johann Andreas Manitius im Archiv der Franckeschen Stiftungen / © Franckesche Stiftungen zu Halle

Tagebucheintrag

»Wezler fragte nach meinem nahmen, und [177r] schrieb solchen auff den disch, wegen übergebener bücher bedanckte er sich, seine liebe gegen Christen war gegrundet in diesem wort, weil er (Jesus) uns ein so großes werck geleistet. Diesen Wezler vergleiche mit Hirsch Kaiser, [einem Juden aus Fürth] nur daß er jünger und im mittlern alter ist. Er hält von den Juden nicht allzuviel, bizeugt aber vor andern daß kein rechte Jud Verachtung auff Wahre Christen lege. Das Werck wann man sich immer deutlicher erkläre, gefiel ihm sehr wohl, bekante, daß er […] kein harte Jud ware, den Evangelischen ließ er einen Vorzug, beklagt aber, daß man nicht viel lamdanim [Gelehrten] finde, die mit Juden recht […] reden. Ich habe ihm versprochen, daß mit Gottes Hilffe den Juden nach und nach viel puncten vom Christenthum werden vernehmlich vorgetragen werden. So viel davon, der Gott welcher dieses Herz erwecket, der Warheit nachzuforschen, der gebe, daß andere bald nachfolgen, und mit Gott zu rath gehen, wie sie von der blindheit erlöset, und zum Wahren Licht gelangen mögen.«

Vom 2. bis 4. Dezember 1733 hielten sich dann die beiden Studiosi wieder in Celle auf. Der jüngere, Mantius, hielt die Begegnungen ausführlich in seinem Tagebuch fest. Bei dieser Gelegenheit kam es zu keinem weiteren Treffen mit Isaak Wetzlar, der geschäftlich unterwegs war. Sie trafen aber Wetzlars Sohn und dessen Frau und führten Gespräche mit anderen Juden.

Seite aus dem Tagebuch von Johann Andreas Manitius über den Besuch in Celle vom 2. bis 3. Dezember 1733. In: Johann Andreas Manitius: Tagebuch über seine Reise in den Harz, nach Franken, Hessen und Norddeutschland, 1733. AFSt/H  K 57, Bl. 144r.
Seite aus dem Tagebuch von Johann Andreas Manitius über den Besuch in Celle vom 2. bis 3. Dezember 1733. In: Johann Andreas Manitius: Tagebuch über seine Reise in den Harz, nach Franken, Hessen und Norddeutschland, 1733. AFSt/H K 57, Bl. 144r. / © Franckesche Stiftungen zu Halle

Tagebucheintrag

[144r] »d[en] 2. Dec[ember]: […] wir nach Zell kamen [...] die Juden […] wohnen daselbst in der vorstadt, etwa 10. bis 12. Hauß-Gesäß, einige sind reich, sonderlich der Wetzlar, welches auch der gelehrteste und beste seyn soll. d[en] 3. Dec[ember]: gingen wir beyde vor deßen Hauß, weil sich mein Gef[ährte] express vorgenommen hatte ihn dieses mal zu sprechen, da er uns, wie aus den vorigen bekannt von der Geh[eimen] Räth[in] von Münchhausen recommendiret war. Aber er war verreiset, indeßen war sein Sohn der eben vor der Thüre stunde recht freundlich gegen uns und sagte daß er morgen wiederkommen werde, Er habe noch die drey Bücher, welche ihm m[ein] Gef[ährte] zu lesen gegeben in guter Verwahrung in seinem Spinde verschloßen, dis war uns lieb, mein Gefährte zeigte ihm das JOREH DEAH u. den jüd[ischen] Brief, und bat solches seinem Vater zu überreichen, als er sich aber entschuldigte, er wiße nicht, ob ers annehmen dürffe, nahm ers wieder, und gab es einem andern, der dazu kam.

[144v] Es kam auch der CHASSAN dazu, der wolte wißen, was es für Bücher wären, besahe sie, und wunderten sich, daß Joreh deah teutsch übersetzt wäre, sie meinten es sey ein Stück aus ihrem talmud. M[ein] Gef[ährte] hatte von einem Exemplar, wie er mir gesagt die Vorrede weggethan. Als sich nun mehrere versammleten, theileten wir mehrere Bücher unter sie aus, einer in des Wetzlars Hause bekam die Epist[el] an die Römer und noch einen Brief. Zwey andere bekamen ein jegl[icher] ein Joreh deah und jüd[ische] brief[e]. noch theilte ich 1 brief einer Frau mit. Gott laße es unter ihnen geseegnet seyn! Hier sind die Jüden noch tractabler gewesen als in Hannover, sie laßen doch noch mit sich reden, u[nd] nehmen die Bücher zur Prüfung an, lesen u[nd] behalten sie.«

Die Missionsschrift Joreh Deah (Lehrer der Weisheit) hatten die Missionare selbst verfasst. Mit dem jüdischen Brief ist wahrscheinlich das Mikhtav Ahava, der »Liebesbrief« von Johann Müller, gemeint.

Vergebliche Mühen....

Am Vormittag des 4. Dezembers versuchten Manititus und Widmann wieder vergeblich, Isaak Wetzlar zu besuchen:

[146v] »d[en] 4. Dec[ember]: Heute Vormittag gingen wir beyde wieder aus ob wir etwa Gelegenheit bekommen möchten mit einigen Juden in ein nützliches Gespräch zu kommen, aber es wolte sich keine finden; wir gingen zu dem H[errn] Wetzlar, er war wiedergekommen, aber ließ sich eben rasiren, und durch seine Frau excusiren, daß er jetzt nicht Zeit hätte, weil er erst wiedergekommen und wenn er rasirt wäre, gleich auszugehen hätte. Wir gingen also weiter und begnügten uns vorjetzo damit, daß wir ihm mit guter Gelegenheit die neue Bücher in die Hände gebracht.

Da wir weiter niemanden sehen und finden konten, gingen wir in das Hauß wo wir gestern gewesen, er war aber auch nicht zu Hause, daher wir kurtz von der Frau Abschied nahmen, und weil es noch gut Wetter war, machten wir uns diesen Mittag noch auf den weg u[nd] verließen Zelle.«

Für die Reisemitarbeiter des Institutum Judaicum war es also vor allem wichtig, die Traktate und Schriften des Instituts zu verteilen; denn sie waren sich sicher, dass Isaak Wetzlar die Schriften lesen würde.

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­Über das Porträt

Ein »Erinnerungsstück« von
Franckesche Stiftungen zu Halle
www.francke-halle.de

Autorin: Dr. Britta Klosterberg, Leiterin des Studienzentrums der Franckeschen Stiftungen zu Halle

Gestaltung und redaktionelle Bearbeitung: Dr. Ulrike Horstenkamp, AsKI e.V.

Techn. Bearbeitung von Bild-, Audio- und Videodateien: Franz Fechner, AsKI e.V.

Quellenangaben

Die Franckeschen Stiftungen zu Halle
Die Franckeschen Stiftungen, gegründet 1698 als eine Waisen- und Bildungs­anstalt durch den Theologen August Hermann Francke (1663–1727), entwickelten sich im 18. Jahrhundert zu einer Schulstadt und einem der bedeutendsten protestan­­tischen Bildungsstandorte Europas. Das in sich geschlossene historische Ensemble mit über 50 Gebäuden und Schulbauten, darunter eine Kunst- und Naturalienkammer und einer Bibliothek aus dem 18. Jahrhundert, ist bis heute erhalten geblieben.

Die Franckeschen Stiftungen verstehen sich als lebendiger kultureller Bildungs­kosmos an historischer Stätte. Mit ihren musealen Schätzen sowie Bibliothek, Archiv und mehreren pädagogischen Einrichtungen, aber auch mit den etwa 40 Partnern auf dem Gelände bilden die Stiftungen ein einzigartiges Zentrum kultureller, pädagogischer, wissen­schaftlicher, sozialer und christlicher Aktivitäten.